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Machtmissbrauch im Richteramt, Nötigung, Falschaussage, mangelnde Solidarität: Gestützt von einer Gesellschaft, die scheinheilig mitspielt, zählt die Wahrheit bei der Suche nach Gerechtigkeit in Heinrich von Kleists „Der zerbrochne Krug“ nichts. Am 27.03.2025 besuchte die 12. Jahrgangsstufe (G9) mit weiteren Schülerinnen und Schülern anderer Schweinfurter Schulen in der Aula des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums die Inszenierung des Lustspiels. Das Ensemble der Neuen Werkbühne München interpretierte das Drama in seiner üblichen charakteristischen Art: So kombinierten die Darstellerinnen und Darsteller die an sich werkgetreue Inszenierung mit zeitgemäßen Attributen der Gegenwart, weswegen manche Dialoge in aktueller Jugendsprache geführt wurden und die Kostüme sowohl die Mode um 1800 als auch von heute widerspiegelten. Nach der Aufführung gab es noch ein pädagogisches Theatergespräch mit dem Spielleiter und Regisseur Ansgar Wilk. Die Schülerinnen und Schüler, die das Stück auch im Unterricht besprochen hatten, erkannten, dass Machtmissbrauch beinahe das Leben der jungen Eve zerstört und dass der Dorfrichter Adam, der Täter und Richter in einem ist, im Spiel mit Wahrheit und Lüge kläglich an sich selbst scheitert aber davonkommt. Ob der Amtsrichter Eve in einer ihr vorgetäuschten Notlage tatsächlich zu sexuellen Handlungen gezwungen hat, bleibt im Lustspiel offen, aber es deutet viel darauf hin. Ein Krug ist in Eves Zimmer bei einem nächtlichen Besuch eines Unbekannten zerbrochen und ihre Mutter beschuldigt deswegen den künftigen Bräutigam der Tochter, der war es aber nicht und will von seiner Braut wegen des Verdachts auf Untreue nichts mehr wissen. Also trifft man sich, um die Ehre herzustellen, vor Gericht wieder. Ein jahrhundertealter Mechanismus offenbart sich in dem Drama: Eine Frau muss sexuelle Zudringlichkeit abwehren und sich dann vor Gericht verteidigen. Im Laufe der Handlung steht ihr niemand zur Seite, nicht einmal der Gerichtsrat Walter, der dem Prozess beiwohnt, um die Rechtspflege zu verbessern. Dieser wurde in der Inszenierung von einer Frau verkörpert, die als solche wohl besser die Notlage der vom Richter erpressten Frau erkennen können sollte – das kann oder will sie aber nicht. Als die Wahrheit dennoch ans Licht kommt, suspendiert Walter Adam zwar, geht aber seinen Verbrechen nicht nach und bestraft ihn nicht angemessen. Das Ansehen der Justiz und die Selbsterhaltung des Systems sind ihr wichtiger als Recht und Gerechtigkeit für Adams Opfer. Das Lustspiel nimmt zwar ein versöhnliches Ende, die Zuschauerinnen und Zuschauer bleiben aber mit einem mulmigen Gefühl zurück.
Friederike Eckel-Süssner
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